Der Dachausbau im Altbaubereich gewinnt zunehmend an Bedeutung. Da die unbelüftete Ausführung einer nachträglichen Dämmaßnahme handwerklich einfacher und wärmetechnisch günstiger ist, sollte sie, wenn feuchtetechnisch machbar, einer belüfteten Variante vorgezogen werden. Da ältere Steildächer meist relativ dampfdichte Vordeckungen (z.B. Bitumenpappe auf Holzschalung) besitzen, ist eine Analyse der Tauwassersituation unerläßlich. Nach DIN 4108-3 erübrigt sich ein rechnerischer Nachweis, wenn die raumseitige Dampfsperre einen sehr hohen Sperrwert (sd > 100 m) aufweist. Aufgrund der großen Gefahr, daß bei solchen beidseitig dampfdichten Konstruktionen kleine Fehlstellen oder Leckagen schwere Feuchteschäden nach sich ziehen können, wird bereits in [1] zu recht davon abgeraten, dieser Normvorgabe zu folgen. Statt dessen wird dort der Einsatz von Dampfbremsen empfohlen, deren Sperrwert so hoch ist, daß sie zwar den winterlichen Tauwasserausfall bis auf ein unkritisches Maß begrenzen, gleichzeitig jedoch auch eine gewisse Austrocknung im Bauteil vorhandener Feuchte im Sommer zulassen.
Dies ist ein typisches Optimierungsproblem, das die Vorteile der rechnerischen Simulation besonders deutlich macht. Setzt man hier das herkömmliche Glaser-Verfahren ein, ergibt sich ein minimaler sd-Wert von ca. 2 m. Unbedenklich ist die Konstruktion jedoch nur, wenn die Randbedingungen für Dächer (Oberflächentemperatur 20 °C) angesetzt werden. Legt man die Randbedingungen für Wände zu Grunde, dann übersteigt in der Regel die Tauwassermenge die Verdunstungsmenge und die Konstruktion wird unzulässig. Ob ein steil nach Norden geneigtes Dach besser mit den Randbedingungen für sonnenbeschienene Flachdächer oder mit den Bedingungen für Wände zu beurteilen ist, bleibt der Einschätzung des Anwenders überlassen. Hier soll gezeigt werden, zu welchen Aussagen man mit Hilfe von WUFI-Berechnungen kommen kann.
Anhand der Feuchteentwicklung in einer nordorientierten, 50° geneigten und unbelüfteten Satteldachhälfte mit Zwischensparrendämmung und dampfdichter Vordeckung wurden in [2] die Auswirkungen unterschiedlicher Randbedingungen und Diffusionseigenschaften der Dampfbremse rechnerisch untersucht. Bild 1 zeigt drei sd-Wert-abhängige Verläufe des Gesamtwassergehaltes in diesem Dach bei normalen Nutzungsbedingungen und typischen Holzkirchner Klimaverhältnissen, ausgehend von der hygroskopischen Ausgleichsfeuchte bei 80% r.F. Hat die Dampfbremse einen Sperrwert von 0,5 m, nimmt das Dach im Winter etwa 1,5 kg/m² Feuchte aus der Raumluft auf und gibt diese im nächsten Sommer wieder vollständig ab, wobei am Ende des Beobachtungszeitraumes nach sechs Jahren der Gesamtwassergehalt etwa der Ausgangsfeuchte entspricht. Die hohe Feuchtezunahme im Winter übersteigt jedoch die Grenzwerte für den maximalen Tauwasserausfall in DIN 4108 und kann wegen der Gefahr von zusammenlaufendem Tauwasser nicht toleriert werden. Wird der Sperrwert der Dampfbremse um den Faktor zehn erhöht, bleibt die Feuchtezunahme deutlich unter dem kritischen Wert von 0,5 kg/m². Dafür findet jetzt jedoch eine langfristige Feuchteakkumulation statt, wie der langsame Anstieg des berechneten Verlaufs über die Jahre zeigt. Eine Lösung bietet in diesem Fall eine Dampfbremse mit variablem sd-Wert, die auf Grund ihrer feuchteadaptiven Eigenschaften im Winter dampfdichter ist als im Sommer. Hiermit wird trotz unbedenklicher Feuchtezunahme durch winterlichen Tauwasserausfall ein großes sommerliches Trocknungspotential erreicht, was sich durch die vergleichsweise geringste Endfeuchte im Dach manifestiert.
Die Entdeckung dieser speziellen Dampfbremse geht auf Spezifikationen durch umfangreiche WUFI-Berechnungen zurück und ist ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz der hygrothermischen Simulation zur Entwicklung und Optimierung von Bauprodukten [3].
Literatur
Schulze, H.: Hausdächer in Holzbauart. Werner-Verlag, Düsseldorf 1987.
Künzel, H.M.: Bedeutung von Klimabedingungen und Diffusionseigenschaften für die Feuchtesicherheit voll gedämmter Altbaudächer. Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Gertis. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 1998, S.371-389.
Künzel, H.M. und Kasper, F.-J.: Von der Idee einer feuchteadaptiven Dampfbremse bis zur Markteinführung. Bauphysik 20 (1998), H.6, S.257-260.
Seite erstellt: 20 Apr 2001; letzte Änderung: 16 Jul 2012