Einfluss des Fensteröffnungsverhaltens auf Raumklima, Luftqualität und Energiebedarf

GebäudemodellWUFI Plus: Mit diesem Anwendungsfall soll die natürliche Lüftung in einem Einfamilienhaus, untersucht werden. Dafür werden verschiedene Fenster-Öffnungszeiten angesetzt. Diese werden hauptsächlich beeinflusst von den Außenklima-Bedingungen und einem zufälligen Nutzerverhalten. Der daraus entstehende  natürliche Luftwechsel wird simuliert, wodurch Aussagen zur Behaglichkeit, Hygiene und zum Energiebedarf in Abhängigkeit zum Nutzer-Fensteröffnungsverhalten gemacht werden können.

Modellbeschreibung

Das Einfamilienhaus wird in Zonen mit jeweils simuliertem Innenraumklima unterteilt (Abbildung 1). Der Keller ist bis auf den Treppenraum unbeheizt, ebenso der Dachraum über der Kehlbalkendecke.

Einfamilienhaus Modell

Abbildung 1: Gebäudemodell und Zoneneinteilung zur Simulation der Gebäudedurchströmung

Aus der Konstruktion ergeben sich folgende U-Werte:

Bauteil U-Wert in W/m²K
Außenwand (36,5 cm Porenbeton Plansteine) 0,3
Dach (18cm Zwischensparrendämmung) 0,2
Kellerdecke (10cm Mineralwolle) 0,35
Fenster 1,3
g-Wert: 0,6

Desweiteren gelten folgende Bedingungen:

Wärmeübergangswiderstand innen 0,13 m²K/W
Wärmeübergangswiderstand außen 0,4 m²K/W
Luftdichtigkeit n50 = 1,5 1/h

Es wird angenommen, dass das Gebäude ganzjährig von vier Personen bewohnt und täglich gleichbleibend genutzt wird. Eine berufsbedingte Abwesenheit der Personen wird berücksichtigt. Wochenenden und Urlaubstage werden nicht speziell untersucht. Der Zeitraum der Auswertung erstreckt sich über ein Jahr, von 1. Januar bis 31. Dezember. Sämtliche Ergebnisse werden stündlich festgehalten. Die Gebäudebauteile werden mit für das jeweilige Material typischen Baufeuchten initialisiert. Vor dem Beginn des Auswertungszeitraums wird das Gebäude für weitere 2 Monate simuliert. Auswirkungen der Baufeuchtigkeit werden dadurch relativ realistisch erfasst, da unmittelbar nach der Baufertigstellung und während der Bezugsphase in der Regel andere Randbedingungen herrschen als im normalen Betrieb.

Als Außenklima wird das Feuchtereferenzjahr für den Standort Holzkirchen angesetzt. Die Stundenwerte ergeben über ein Jahr zusammengefasst:

mittlere Außenlufttemperatur 6.6°C
relative Luftfeuchtigkeit 81%
Strahlungssumme 1223 kWh/m²
Normalregensumme 1185 mm/Jahr
mittlere Windgeschwindigkeit 2,23 m/s (überwiegend aus West-Süd-West)
Strahlungssumme 1223 kWh/m²
Strahlungssumme 1223 kWh/m²

Das Gebäude wird freistehend betrachtet. Eine Verschattung des Gebäudes und eine starke Beeinflussung der Windgeschwindigkeit und Windrichtung durch die Umgebung werden somit nicht angesetzt.

Die Anwesenheit von Personen wird für den Wärme- und Feuchteeintrag in jedem Raum berücksichtigt. Der durch die Gebäudenutzung resultierende Wärme- und Feuchteeintrag je Raum ist in Abbildung 2 und 3 ersichtlich:

interne Wärmequellen

Abbildung 2: Tagesprofil der inneren Wärmequellen aufgeteilt nach Art des Raumes

 

Interne Feuchtequellen

Abbildung 3: Tagesprofil der inneren Feuchtequellen aufgeteilt nach Art des Raumes

Zusammengefasst resultieren ein mittlerer Wärmeeintrag von 11,14 kWh/Tag und eine mittlere Feuchteproduktion von 8,96 kg/Tag.

Das Einfamilienhaus wird auf 20°C beheizt, außer im Schlafzimmer. Hier beträgt die Mindest-Solltemperatur 16°C und die maximale Auslegungstemperatur 24°C. Ein Unterschreiten der 16°C wird durch die voll dimensionierte Heizleistung der idealen Anlagentechnik-Simulation verhindert. Der Heizwärmebedarf zum Einhalten der minimalen Auslegungstemperatur wird somit ermittelt. Die maximale Auslegungstemperatur wird nur beim Einsatz des Sonnenschutzes berücksichtigt, der bei einem Überschreiten der Innenraum-Temperatur von 24°C aktiviert wird und die solare Einstrahlung durch die Fenster auf 25% reduziert. Ein Kühlsystem zur Temperaturbegrenzung ist nicht vorgesehen.

Das Klima im unbeheizten Keller sowie in den Dach-Abseiten des Einfamilienhauses wird nicht simuliert, sondern festgelegt. Für den unbeheizten Dachstuhl sowie den Dach-Abseiten werden jeweils Temperatur und Feuchte der Außenluft angesetzt, da eine starke Belüftung angenommen wird.

Einfluss verschiedener Lüftungsstrategien

Grundluftwechsel

Der Luftwechsel zwischen außen und innen, sowie zwischen den Räumen selbst, wird simuliert. Dazu wird das hygrothermische Gebäudemodell mit einem Mehrzonen-Gebäudedurchströmungsmodell gekoppelt. Die Strömungswiderstande der Gebäudebauteile sind in Tabelle 3 zusammengestellt.

Tabelle 3. Parametrisierung der Durchströmungseigenschaften sämtlicher Gebäudebauteile

Bauteil Beschreibung
Außenwand Strömungskoeffizient 0,021 dm³/(s m² Pan); Exponent 0,84
Innenwand Strömungskoeffizient 0,021 dm³/(s m² Pan); Exponent 0,84
Haustür, geschlossen Strömungskoeffizient 0,12 dm³/(s m² Pan); Exponent 0,6
Innentür, geschlossen Strömungskoeffizient 1,0 dm³/(s m² Pan); Exponent 0,6
Innentür, offen (Zwei-Weg-Strömungsmodell) Durchlasskoeffizient 0,6; Exponent 0,5; Innentüröffnungsfläche
Fenster, geschlossen Strömungskoeffizient 0,12 dm³/(s m² Pan); Exponent 0,6
Fenster, Drehstellung (Zwei-Weg-Strömungsmodell) Durchlasskoeffizient 0,6; Exponent 0,5; Fensteröffnungsfläche

Der Zustand der Außenfenster (geöffnet, oder geschlossen), sowie der Innentüren kann während der Simulation variieren. Das Öffnungsverhalten ist folgend beschrieben. Sämtliche Strömungswiderstände sind für einen Grundluftwechsel, bzw. eine natürliche Infiltration bei geschlossener Gebäudehülle von n50 = 1,5 h-1 ausgelegt.

Natürliche Belüftung

Das Einfamilienhaus durch Öffnen der Außenfenster in Drehstellung, anwesenheits- und klimaabhängig und je Zone unterschiedlich bzw. raumtypabhängig, natürlich belüftet.

Für die Berechnung der Öffnungsperioden wird somit die Nutzungsart des Raumes (Wohnraum, Badezimmer, Schlafzimmer) sowie das Außenklima (Temperatur und Niederschlag), die Tageszeit und die Anwesenheit von Personen berücksichtigt. Daraus ergibt sich für jeden Raum ein Ganzjahresprofil, welches festlegt zu welcher Stunde und für wie lange ein Fenster geöffnet oder geschlossen ist.

Geschlossene Gebäudehülle

Zur Simulation der natürlichen Infiltration, sowie zur Plausibilitätskontrolle der definierten und parametrisierten Strömungsparameter, wird das Gebäude mit ganzjährig geschlossen Fenster simuliert. Das Gebäude-Netto-Luftvolumen beträgt 356,5 m³. Es ergibt sich ein mittlerer Infiltrations-Luftwechsel in Höhe von 0,11 h-1über den gesamten Simulation-Zeitraum von einem Jahr. Der Wert ist für den gewählten Gebäudestandort und der angenommen Luftdichtigkeit von n50 = 1,5 h-1 zu erwarten.

Interessant ist, dass der Luftwechsel etwa ein Viertel des Jahres unter 0,04 1/h liegt. Der Raum mit dem niedrigsten Außenluftwechsel, das heißt in den am wenigsten Außenluft strömt, ist das Schlafzimmer im Obergeschoss, mit Außenwänden Richtung Norden und Osten. Der Raum mit dem höchsten Infiltrations-Luftvolumenstrom ist die Küche im Erdgeschoss, deren Außenwände Richtung Norden und Westen zeigen. Der simulierte Heizwärmebedarf für diesen Simulationsfall, ohne zusätzliche Belüftung beträgt 51 kWh/(m²a).

1. Szenario: Normales Lüftungsverhalten

Das Einfamilienhaus wird mit dem vorher beschriebenen Ganzjahres-Lüftungsprofil und einer Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Fensteröffnung von 20%  simuliert. Die akkumulierte Fensteröffnungszeit über das Jahr ist in Abbildung 5 aufgetragen. Erkennbar ist die häufigere Fensteröffnung in den warmen Sommermonaten.

Fensteröffnungszeit, normale Öffnung

Abbildung 5: Akkumulierte Fensteröffnungszeit über das Simulationsjahr unter Annahme eines normalen manuellen Lüftungsverhaltens

Es ergibt sich eine über das Jahr gemittelte Luftwechselrate von 0,31 h-1. Der gleitende Tages- und Monatsmittelwert ist in Abbildung 6 aufgetragen. Die Kohlenstoffdioxid-Konzentration kann als Indikator für Aussagen zur Raumluftqualität in den einzelnen Räumen dienen. Hier stieg diese 44% des Jahres über einen Wert von 1500 ppm, die Luftqualität ist demnach häufig niedrig bis schlecht. In einem Kinderzimmer steigt die Konzentration sogar 73% des Jahres über 1500 ppm. Als Indikator für den Komfort wird die simulierte Raumlufttemperatur herangezogen. Im gesamten Gebäude steigt diese 4,3% im Jahr über 26°C. Der ermittelte Heizwärmebedarf bei gegebenem Lüftungsverhalten beträgt 59 kWh/(m²a).

Luftwechselrate

Abbildung 6: Resultierende gleitende Luftwechselrate bei normalem Lüftungsverhalten

Als erster Indikator zur Beurteilung der hygienischen Verhältnisse dient die relative Luftfeuchtigkeit in den einzelnen Räumen. In den Wintermonaten liegt diese bei etwa 50% im gesamten Einfamilienhaus. Jedoch speziell im Badezimmer, mit hoher kurzanhaltender Feuchtequelle, liegt die Luftfeuchtigkeit etwa ein Drittel des Jahres über 70% und erreicht sogar 99%. Weitere Untersuchungen zur Bewertung des Schimmelpilzrisikos an den Wandoberflächen und in der der Dachkonstruktion können mit den gewonnen Simulationsergebnissen stattfinden.

2. Szenario: Häufiges Fensteröffnen

Für diese Simulation des Einfamilienhauses wird die Öffnungswahrscheinlichkeit auf 50% erhöht. In der Küche wird somit ein Fenster bis zu viermal am Tag, im Badezimmer im Obergeschoss und in den Kinderzimmern bis zu dreimal täglich und in den restlichen Zimmern etwa ein- bis zweimal am Tag geöffnet. Im Winter sind die Öffnungsdauern kurz (5 oder 10 Minuten) im Sommer stehen die Fenster auch über mehrere Stunden offen. Die akkumulierte Fensteröffnungszeit für diese Simulation ist in Abbildung 7 dargestellt.

Fensteröffnungszeit, häufige Öffnung

Abbildung 7: Akkumulierte Fensteröffnungszeit über das Simulationsjahr unter Annahme häufiger Fensteröffnung

Die resultierende jährlich gemittelte Außenluftwechselrate dieser Simulation beträgt 0,69 h-1. Der gleitende Monatsmittelwert liegt meistens über 0,5 h-1 und steigt im Sommer auf etwa 1,0 h-1 an. Mit diesem erhöhten natürlichen Luftwechsel steigt der simulierte Heizwärmebedarf auf 84 kWh/(m²a). Allerdings kann die Raumluftqualität unter Betrachtung der Kohlendioxid-Konzentration deutlich verbessert werden. Die Konzentration liegt etwa 12% des Jahres im gesamten Gebäude gemittelt über 1500 ppm und fast immer unter 2000 ppm. In den Schlafräumen steigt die Kohlendioxidkonzentration 30% des Jahres über 1500 ppm, wenn nachtsüber und am Abend kein Fenster geöffnet wurde. Die Innenraumlufttemperatur liegt, bei den höchsten Außenlufttemperaturen 2,6% des Jahres über 26°C. Auch die hygienischen Verhältnisse werden durch die häufigere Fensteröffnung deutlich verbessert. Im Mittel liegt die relative Raumluftfeuchte in den Wintermonaten bei 36% und steigt im Badezimmer nur für ein paar Stunden über 70%.

3. Szenario: Automatisierte Parallelabstellung

Abschließend wird das Einfamilienhaus mit einer anderen Art der natürlichen Lüftung simuliert. Die Lüftung soll nicht manuell durch Nutzer-Interaktion, sondern mit automatisierten Parallel-Abstellfenstern stattfinden. Dieser Fensterbeschlag stellt motorgetrieben den gesamten Fensterflügel etwa 5 – 6 mm parallel nach innen, wodurch ein Luftspalt an allen vier Seiten des Flügels entsteht.

Die Fenster werden nahe der Last, das heißt wenn viel Luftfeuchtigkeit infolge der Anwesenheit von Bewohnern produziert wird, gleichzeitig in jedem Raum parallel abgestellt. Sie sind somit von 5:30 – 7:30 Uhr, von 12:30 bis 13:00 Uhr und von 18:30 bis 20:00 Uhr, insgesamt 4 Stunden an jedem Tag parallel abgestellt. Im Sommer, bzw. in der Kühlperiode wird zusätzlich eine längere parallele Abstellung zur natürlichen Nachtlüftung berücksichtigt.

Trotz einer deutlich verringerten simulierten Luftwechselrate von 0,40 h-1 gemittelt über das gesamte Jahr zeigen die Ergebnisse mit den Parallelabstellfenstern eine verbesserte Luftqualität beruhend auf der Bewertung der Kohlendioxidkonzentration. Diese liegt im gesamten Gebäude im Mittel etwa 16% des Jahres über 1500 ppm. Der Heizwärmebedarf bei dieser Art der Lüftung des Einfamilienhauses beträgt simuliert 67,5 kWh/(m²a). Die relative Luftfeuchtigkeit liegt über das gesamte Jahr gemittelt bei 44% und im Badezimmer deutlich niedriger als bei den Simulationen zuvor.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Durch die Verwendung eines Mehrzonen-Gebäudedurchströmungsmodells in Verbindung mit der dynamisch hygrothermischen Gebäudesimulation kann der Einfluss verschiedener Fensteröffnungsstrategien auf Raumklima und Energiebedarf abgeschätzt werden. Durch die Simulation einer komplett geschlossenen Gebäudehülle wird der Infiltrationsluftwechsel abgebildet. Als Ergebnis können Räume identifiziert werden, in denen ein besonders niedriger Außenluftwechsel und damit eine niedrige Raumluftqualität zu erwarten ist.

Bei geringer Fensteröffnungsdauer und damit geringem Luftwechsel wird ein niedriger flächenbezogener Heizwärmebedarf erreicht. Allerdings entstehen kritische Raumluftfeuchten, weil im Gebäude produzierte Feuchtelasten nicht abgeführt werden können. Zusätzlich verschlechtert sich die Luftqualität, weil Schadstoffe in der Luft und das in den Räumen produzierte Kohlendioxid nicht aus dem Gebäude gelüftet wird.

Werden die Öffnungszeiten erhöht, kann die Raumluftqualität deutlich verbessert werden. Auch zu hohe relative Luftfeuchten werden in den Räumen deutlich seltener erreicht. Allerdings erhöht sich der Heizwärmebedarf.

Eine Lösung stellt hier das bedarfsgerechte, parallele Abstellen der Fenster dar. Das heißt, die Lüftung wird verbessert, wenn Feuchte oder CO2 produziert werden. Dies sollte am besten automatisiert passieren, da ein angepasstes Eingreifen des Nutzers nicht vorausgesetzt werden kann. Der sich ergebende geringe Luftspalt verhindert Zugerscheinungen, ermöglicht aber trotzdem einen ausreichenden Luftwechsel bei Querlüftung. Zusätzlich werden Lüftungswärmeverluste in Grenzen gehalten, auch weil ungewollter Infiltrationsluftwechsel durch dichtes Schließen zu Zeiten in denen kein Luftaustausch notwendig ist sehr gering gehalten werden kann.

Verschiedene Strategien und Lüftungskonzepte auch in Kombination mit mechanischer Lüftung werden durch die hygrothermische Gebäudesimulation mit Gebäudedurchströmung bewertbar. Mögliche Schlussfolgerungen beziehen sich nicht nur auf die erzielbaren Luftwechselraten, sondern schließen Gebäudeenergiebedarf, Raumklima und Raumluftqualität sowie eine hygienische Beurteilung mit ein. Die in diesem Beispiel durchgeführten Berechnungen sollen die Bandbreite möglicher Ergebnisse aufzeigen, sind jedoch nicht verallgemeinerbar.