Umkehrdiffusion in zweischaliger Außenwand

Umkehrdiffusion-in-zweischaliger-AußenwandBei zweischaligen Wänden übernimmt die Vorsatzschale den Witterungsschutz. Selbst ohne Luftschicht zwischen Außenschale und Kerndämmung bleibt der kapillare Feuchteeintrag bei Niederschlag auf die Vorsatzschale beschränkt, wenn hydrophobe Dämmstoffe verwendet werden und die Gesamtkonstruktion winddicht ist [1]. Die hinter der Verblendung liegenden Bauteilschichten werden daher bei richtiger Ausführung vor Niederschlagswasser dauerhaft geschützt.

Im Sommer kann jedoch eine Befeuchtung dieser Schichten durch die sog. Umkehrdiffusion (auch Sommerkondensation genannt) stattfinden. Bei solarer Erwärmung der Vorsatzschale diffundiert die dort gespeicherte Regenfeuchte durch die Kerndämmung hindurch bis zur kühleren Tragschale und fällt dort als Tauwasser aus. Handelt es sich bei der Tragschale um Mauerwerk, wird dieses Tauwasser kapillar aufgenommen und in kühleren Perioden wieder abgegeben. Enthält die Tragschale jedoch feuchteempfindliche Materialien, wie z.B. Holzwerkstoffe, dann kann die sommerliche Umkehrdiffusion zu Problemen führen.

Am Beispiel des Wandaufbaus in Bild 1 wird das Phänomen der sommerlichen Umkehrdiffusion rechnerisch simuliert. Als Tragschale dient eine einfache Holzständerkonstruktion. Die Vorsatzschale besteht aus einer Klinkerverblendung mit einem vergleichsweise geringen Wasseraufnahmekoeffizient (w-Wert) von 1,0 kg/m²h½. Der 12 cm dicke Spalt zwischen der Verblendung und der OSB-Platte (oriented strand board) der Tragschale ist voll mit hydrophobierter Mineralwolledämmung ausgefüllt. Betrachtet wird die Feuchtesituation der OSB-Platte im fünften Jahr der Bewitterung für den Regelquerschnitt einer nach Westen orientierten Wand. Für die Berechnungen wird das Raumklima in Bild 2 sowie kalte und warme Holzkirchner Außenklimaverhältnisse (HRY) zu Grunde gelegt.

Bild 3 zeigt die Bandbreite der Feuchte, die sich je nach Außenklima in der OSB-Platte einstellt. Während die OSB-Platte im Gegensatz zu den üblichen Erfahrungen im Winter austrocknet, nimmt sie etwa ab Mai kontinuierlich Feuchte auf, bis im Herbst ein Maximum erreicht wird und wieder eine Austrocknung stattfindet. Das sommerliche Auffeuchten rührt, wie bereits beschrieben, von der Umkehrung der Dampfdiffusion her. In einem kalten Jahr bleibt es für den hier gewählten Wandaufbau unkritisch. In einem warmen Jahr steigt der Wassergehalt in der OSB-Platte jedoch über 20 M.-% an. Da gleichzeitig ein relativ hohes Temperaturniveau herrscht, kann eine langfristige Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Platte durch Mikroorganismen nicht ausgeschlossen werden.

Dieses Beispiel zeigt auf eindrucksvolle Weise, daß unter bestimmten Voraussetzungen eine warme Witterung größere Gefahren in sich bergen kann als ein kälteres Klima.

Literatur

[1] Künzel, H.: Zweischalige Außenwände mit Kerndämmung und Klinkerverblendung. wksb 37 (1996), S. 15-19.

 

Seite erstellt: 20 Apr 2001; letzte Änderung: 16 Jul 2012