Ein klassisches Beispiel für die Anwendung moderner Rechenverfahren ist das Austrocknen eines Flachdaches aus Porenbeton. Da reine Dampfdiffusionsbetrachtungen nicht ausreichen, um das Austrocknungsverhalten solcher Flachdächer zu erklären, wurde Anfang der 80er Jahre ein Berechnungsverfahren vorgestellt [1], das durch Berücksichtigung des Kapillartransports in der Lage war, experimentelle Untersuchungsergebnisse aus den 60er Jahren [2] quantitativ nachzuvollziehen. Da dieser Dachaufbau in letzter Zeit durch Feuchteprobleme während der Austrocknung in südlichem Klima erneut die Aufmerksamkeit von Fachleuten erfahren hat, wird er hier exemplarisch für das hygrothermische Verhalten von massiven Flachdächern aufgegriffen.
Ausgehend von einer Einbaufeuchte der Porenbeton-Fertigteile von 20 Vol.-% zu Beginn des Jahres sind die berechneten Trocknungsverläufe für drei unterschiedlich gedämmte Flachdachvarianten in Bild 1 dargestellt. Ein Vergleich der Berechnung mit den Meßergebnissen in [2] für das 15 cm dicke Dach zeigt die Qualität der rechnerischen Prognose. Die anfänglich rasche Austrocknung von 10 Vol-% (15 kg/m²) innerhalb von sechs Monaten ist auf die starke Erwärmung der bituminierten Dachoberfläche durch solare Einstrahlung zurückzuführen.
Da das Dach nur nach innen austrocknen kann, entsteht dabei eine erhebliche Feuchtelast für die Raumluft, die umgehend abgeführt werden muß. Während dies in unseren Breiten durch lange Fensteröffnungszeiten erreicht werden kann, sind die Klimaanlagen in feuchtwarmen Klimazonen häufig nicht entsprechend ausgelegt, so daß die Raumluftfeuchte während der Austrocknungsphase unzulässig hoch werden kann.
Der projektierte U-Wert des Daches wird erst erreicht, wenn der Wassergehalt des Daches unter den Bezugsfeuchtegehalt von Porenbeton (ca. 1,5 Vol-%) sinkt. Bei dem 15 cm dicken Dach ist das in weniger als zwei Jahren der Fall. Ein Porenbetondach mit 20 cm Stärke braucht dafür bereits 3,5 Jahre, also etwa doppelt so lange. Wird dieses Dach zusätzlich mit 6 cm Poystyrol gedämmt, verlängert sich die Austrocknungszeit auf annähernd fünf Jahre. Dieses Beispiel zeigt, welchen großen Einfluß die Besonnung auf das Feuchteverhalten von Flachdächern hat. Die Zusatzdämmung führt zwar insgesamt zu einem höheren Temperaturniveau des Porenbetons, gleichzeitig werden aber die sommerlichen Oberflächentemperaturspitzen stark gedämpft. Da der Sättigungsdampfdruck exponentiell mit der Temperatur ansteigt, führt diese Dämpfung zu einer Verringerung der Trocknungsgeschwindigkeit nach der anfänglichen durch die Kapillarleitung unterstützten Feuchteabnahme des Porenbetons.
Literatur
Kießl, K.: Kapillarer und dampfförmiger Feuchtetransport in mehrschichtigen Bauteilen; rechnerische Erfassung und bauphysikalische Anwendung. Diss. Universität-Gesamthochschule Essen 1983.
Künzel, H.: Untersuchungen über die Feuchtigkeitsverhältnisse in Flachdachkonstruktionen. Berichte aus der Bauforschung H. 48, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1966,
Seite erstellt: 20 Apr 2001; letzte Änderung: 17 Jul 2012