Einfluss des Sanierungsgrades auf die hygienischen Verhältnisse einer Wohnung

Sanierung GebäudemodellWUFI Plus: Mit diesem Anwendungsbeispiel soll der Einfluss von Sanierungsmaßnahmen auf die Hygiene in einem Mehrfamilienhaus untersucht werden. Häufig stellt sich die Frage, ob Einzelmaßnahmen, wie zum Beispiel nur der Fenstertausch oder eine Komplettsanierung mit Fenstertausch und Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems die hygienischen Bedingungen im Gebäude verbessern oder verschlechtern.

Modellbeschreibung

Von einem Mehrfamilienhaus wird eine 3-Zimmer Etagenwohnung, in Bild 9 dargestellt, zur hygienischen Bewertung betrachtet und modelliert. Unterteilt in 6 Zonen kann das Raumklima in den einzelnen Räumen der Wohnung mit unterschiedlichen Sollwert-Einstellungen simuliert werden. Speziell werden zwei kritische Räume betrachtet, das Schlafzimmer und das Kinderzimmer. In ihnen sind nachts hohe Feuchtequellen auf Grund der schlafenden Personen vorhanden. Zusätzlich weisen beide eine geometrische Außenwandecke auf. Abweichend zu den restlichen Räumen der Wohnung wird angenommen, dass im Schlafzimmer die Heizung ausgeschaltet bleibt (siehe Tabelle 1).

Sanierung Gebäudemodell

Abbildung 1: Simulation einer Wohnung im Mehrfamilienhaus – Gebäudemodell und Grundriss

 

Tabelle 1: Zonenaufteilung der Wohnung im Mehrfamilienhaus

Zone Nr. Bezeichnung Fläche[m²] Netto-Volumen [m³] Min. Soll-Raumtemperatur [°C]
1 Flur 4,7 11,9 20
2 Wohnen 22,9 57,6 20
3 Schlafen 18,7 47,1 unbeheizt
4 Bad 6,2 15,7 20
5 Kind 17,7 44,6 20
6 Küche 10,7 32,0 20
A1 Hausflur / Treppenhaus
Summe 81 m² 208 m³

 

Die Wohnung wird von 3 Personen bewohnt. Entsprechend einer üblichen Anwesenheit und der überwiegend leichten oder schlafenden Tätigkeit der Personen sind Wärme- und Feuchtequellen mit Tagesprofilen je Raum definiert. Der tägliche Wärme- und Feuchteeintrag ist in Bild 10 dargestellt. Für die gesamte Wohnung resultieren ein täglicher Wärmeeintrag infolge der Gebäudenutzung von 8,3 kWh/Tag und ein Feuchteeintrag von 7,3 kg/Tag.

interne Wämrequellen

Innere nutzerabhängige Wärme- und Feuchtelast in den zu untersuchenden Räumen

innere Feuchtelast

Abbildung 3: Innere nutzerabhängige Feuchtelast in den zu untersuchenden Räumen

Als Gebäudestandort wird Holzkirchen gewählt. Dieser ist durch seine Lage auf einer Hochebene vor den Alpen und dem vergleichsweise rauen Klima kritisch repräsentativ für deutsche Standorte bis in ähnlicher Höhe. Als Wetterdatensatz wird das Feuchtereferenzjahr, ein feuchtetechnisch kritisches Jahr, angesetzt [49].

Als Simulationszeitraum wird ein Jahr ab dem 1.Juli angesetzt. Ausgewertet werden in diesem Beispiel die drei Wintermonate Dezember, Januar und Februar. Der Simulationszeitraum zuvor dient als Einschwingzeit. Sonnenschutz und bauliche Verschattung werden nicht angesetzt.

Der Luftwechsel zwischen Außenluft und Gebäudezonen sowie zwischen den einzelnen Zonen wird simuliert. Außen- und Innenwände, Fenster und Türen werden als luftdurchlässig angenommen und mit bestimmten Strömungswiderständen parametrisiert, damit je Sanierungsvariante die projektierte Luftdichtheit bei geschlossener Gebäudehülle erzielt wird. Zusätzlich wird eine manuelle Fensterlüftung angenommen. Je Raum wird ein Fenster morgens um 8:00 Uhr und abends um 20:00 Uhr für jeweils 5 Minuten geöffnet. Eine Querlüftung kann somit stattfinden. Die Innentüren werden zufällig bei Anwesenheitswechsel geöffnet, geschlossen oder angelehnt. Eine mechanische Lüftungsanlage kommt nicht zu Einsatz.

Die Ost-Außenwand im Schlafzimmer und im Kinderzimmer wird an drei Stellen detaillierter untersucht. In der Mitte der Wand, an der Außenwandecke und hinter einem direkt, das heißt ohne ausreichenden Abstand an der Außenwand stehenden, Schrank. Dazu wird der Wärmeübergangswiderstand abweichend von dem in der Mitte der Wand (0,13 m²K/W) erhöht auf 0,25 m²K/W in der Raumecke und 0,5 m²K/W hinter dem Schrank. Der Zwei- oder drei-dimensionale Wärme- und Feuchtetransport wird nicht simuliert.

Fallbeschreibungen / Varianten

Unsaniert

In einem ersten Fall wird die Wohnung im unsanierten Zustand, als Referenz und zur Beurteilung der Sanierungsmaßnahmen untersucht. Die Außenwand besteht wie in Bild 11 dargestellt aus üblichem verputztem Ziegelmauerwerk mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten von U = 1,53 W/m²K. Die Außenfenster haben einen Uw-Wert von 2,7 W/m²K und ihre Fugendurchlässigkeit beträgt 2,0 m³/(h m Pa2/3). Das entspricht üblichen Werten für ältere Fenster mit Doppelverglasung.

Aufbau der Außenwand, unsaniert

Abbildung 4: Bauteilaufbau der Außenwand, unsaniert

Die Luftdichtheit der Gebäudehülle im unsanierten Fall soll n50 = 6,5 1/h entsprechen, einem für ältere Gebäude typischen Wert, der hauptsächlich durch Undichtheiten an Anschlussfugen zwischen Maueröffnung und eingebautem Fenster begründet ist.

Neue Fenster

Im darauffolgenden Fall soll untersucht werden, welche Auswirkungen allein die Erneuerung der Außenfenster auf die Hygiene in den zu untersuchenden Räumen hat. Der Außenwandaufbau bleibt dabei unverändert. Die neuen Fenster sollen einen Uw-Wert von 1,3 W/m²K und eine Fugendurchlässigkeit der Klasse 3 (gew. 0,31 m³/(h m Pa2/3)) aufweisen.

Durch den fachgerechten Einbau der Außenfenster soll ebenfalls die Luftdurchlässigkeit der gesamten Gebäudehülle reduziert werden, bzw. Fugen zwischen Maueröffnung und Fensterrahmen geschlossen werden. Somit soll für die Wohnung eine projektierte Luftwechselzahl von n50 = 1,5 1/h erreicht werden.

Neue Fenster und Außenwanddämmung

Im abschließenden Fall soll neben dem Austausch der Außenfenster auch einen Außenwanddämmung auf das bestehende Mauerwerk aufgebracht werden (siehe Bild 12). Dazu wird dem Bauteilaufbau 14 cm Mineralfaserdämmung hinzugefügt um einen U-Wert von 0,25 W/m²K zu erreichen.

Aufbau der Außenwand, saniert

Abbildung 5: Bauteilaufbau der Außenwand, saniert

Die projektierte Luftdichtheit der Gebäudehülle soll n50 = 1,5 1/h betragen.

Ergebnisdarstellung

Ausgewertet wird die Temperatur und Feuchte in den beiden genannten Räumen, jeweils an der Wandoberfläche in Raummitte, in der Außenecke des Raumes und hinter dem Schrank an der Außenwand. Betrachtet werden die drei kritischen Wintermonate Dezember bis Februar. Der Feuchtegehalt und die Temperatur konnten sich auf Grund der fünf Monate langen Einschwingzeit vor dem betrachteten Zeitraum an die Außenklimabedingungen anpassen.

Die Raumlufttemperatur im beheizten Kinderzimmer wird auf der Sollwert-Einstellung von 20°C gehalten. Die Raumluft im unbeheizten Schlafzimmer wird durch die Nebenräume sowie durch den interzonalen Luftwechsel erwärmt. In den ersten beiden Simulationsfällen sind deutliche Schwankungen von minimal 10°C bis maximal 18°C auf Grund der täglichen Querlüftung zu erkennen. Mit Außendämmung schwankt die Innenlufttemperatur im unbeheizten Schlafzimmer meistens zwischen 18°C und 20°C und beträgt im Mittel 19°C. Die mittleren Raumlufttemperaturen und -feuchten sind für den betrachteten Zeitraum und verschiedenen Sanierungsfälle in Tabelle 2 aufgeführt. Deutlich erkennbar ist der Anstieg der relativen Luftfeuchtigkeit bei erneuerten Fenstern, hauptsächlich zurückzuführen auf den geringeren Luftwechsel mit der Außenluft.

Tabelle 2. Resultierende mittlere Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit in den Wintermonaten

Simulationsfall Simulierter Luftwechsel [h-1] Heizwärmebedarf [kWh/(m²Jahr)] Raum Mittlere Lufttemperatur (Winter) [°C] Mittlere relative Luftfeuchtigkeit (Winter) [%]
unsaniert 0,61 193 unbeheizt 15 44
beheizt 20 32
Erneuerte Fenster 0,32 146 unbeheizt 15 57
beheizt 20 46
Erneuerte Fenster und   Dämmung 0,33 41 beheizt 19 46
unbeheizt 20 45

 

Zur Bewertung der hygienischen Verhältnisse wird neben dem Raumluftklima die Oberflächentemperatur und -feuchte an den drei Stellen (Wandoberfläche in der Mitte des Raumes, in der Außenwandraumecke und hinter dem Schrank) des beheizten Kinderzimmers und des unbeheizten Schlafzimmers ermittelt. In Bild 13 bis Bild 15 sind die jeweiligen zeitlichen Verläufe der relativen Oberflächenfeuchte sowie deren Mittelwert und der Mittelwert der Oberflächentemperatur dargestellt. Zur Bewertung ob an diesen kritischen Stellen der Wohnung im Mehrfamilienhaus die Hygiene infolge Schimmelpilzwachstums gefährdet ist, wird das biohygrothermische Verfahren der Software WUFI® Bio [61] herangezogen. Es beruht auf dem Vergleich der berechneten instationären Umgebungsbedingungen (Oberflächentemperatur und -feuchte) mit dem Wachstumsvoraussetzungen in Gebäuden üblicher Schimmelpilze. Als Nährboden werden gut verwertbare Substrate der Klasse 1, wie z.B. Tapeten oder leicht verschmutzte Anstriche angenommen. Das jeweilige Schimmelpilzwachstumsrisiko bewertet WUFI® Bio mithilfe einer Ampel, welche ebenfalls in Bild 13 bis Bild 15 abgebildet ist. Bei „grün“ ist das Risiko gering. Gelb bedeutet ein erhöhtes Risiko, das heißt Schimmelpilzwachstum kann nicht ausgeschlossen werden. Bei Rot ist das Risiko so groß, dass mit Schimmelpilzwachstum gerechnet werden muss.

 

Asuwertung, unsaniert

Abbildung 6: Unsanierte Mehrfamilienhauswohnung: Auswertung der relativen Feuchte an der Ost-Außenwand von Schlafzimmer (unbeheizt) und Kinderzimmer (beheizt).

Auswertung, Fenster saniert

Abbildung 7: Mehrfamilienhauswohnung nach Erneuerung der Fenster: Auswertung der relativen Feuchte an der Ost-Außenwand von Schlafzimmer (unbeheizt) und Kinderzimmer (beheizt).

Auswertung, saniert

Abbildung 8: Mehrfamilienhauswohnung nach Erneuerung der Fenster und Anbringung von Außendämmung: Auswertung der relativen Feuchte an der Ost-Außenwand von Schlafzimmer (unbeheizt) und Kinderzimmer (beheizt).

Diskussion und Schlussfolgerungen

Im unsanierten Gebäude treten keine Probleme an der normalen Wandoberfläche auf. Die Bedingungen verschlechtern sich an Wärmebrücken wie der Außenwandecke oder wenn durch einen Schrank an der Außenwand der Wärmeübergangswiderstand erhöht wird. In diesem kritischsten Fall ist Schimmelpilzbildung im ungeheizten Schlafzimmer zu erwarten.

Werden nun bei einer Sanierung ausschließlich die Außenfenster getauscht, verringert sich der Luftwechsel durch Infiltration. Die Feuchte im Raum wird höher, was schon am regulären Wandquerschnitt zu kritischen Bedingungen für Schimmelpilzwachstum auf der Innenoberfläche führt. Eine zusätzliche Erhöhung des Wärmeübergangswiderstands, wie zum Beispiel in Raumecken oder hinter Schränken an der Außenwand führt dann, bei gleicher Gebäudenutzung wie vor der Sanierung, zu Schimmelpilzwachstum.

Erst im komplett sanierten Fall nach Fenstertausch und Anbringung einer Außendämmung werden unkritische Bedingungen erreicht. Die inneren Oberflächentemperaturen erhöhen sich so weit, dass dort keine kritischen relativen Feuchten mehr vorkommen. Obwohl die Raumluftfeuchte annähernd gleich der Raumluftfeuchte nach ausschließlichem Fenstertausch ist, bleiben die Oberflächenfeuchten auch an kritischen Stellen in Bereichen, die Schimmelpilzwachstum unwahrscheinlich werden lassen. Außerdem erhöhen sich die Raumtemperaturen im unbeheizten Schlafzimmer was zusätzlich zu niedrigen und somit unkritischen Feuchten führt.