WUFI 2D: In diesem Anwendungsbeispiel soll gezeigt werden, wie mit WUFI 2D die Ursache für einen möglichen Feuchteschaden ermittelt und somit im Vorfeld vermieden werden kann. Dabei werden die Feuchtetransportvorgänge zwischen Dachkonstruktion und Mauerwerk genauer betrachtet.
Nichtbelüftete, vollgedämmte Schrägdächer setzen sich in der Praxis immer mehr durch. Im Vergleich zu belüfteten Konstruktionen ist die Feuchtebelastung ohne Belüftungsebene über der Zwischensparrendämmung sogar geringer, solange das Unterdach entsprechend dampfdurchlässig ist [1]. Als Richtwert für die Dampfdurchlässigkeit des Unterdaches kann gemäß [2] eine diffusionsäquivalente Luftschichtdicke (sd-Wert) von maximal 0,3 m angesehen werden, wenn die raumseitige Dampfbremse gleichzeitig einen sd-Wert von über 2 m aufweist. Normgerecht [3] sind aber auch unbelüftete Dächer, die außen einen relativ dampfdichten Abschluss besitzen, wie beispielsweise eine Vordeckung mit Bitumenglasvliesbahn, wenn eine Dampfsperre vorhanden ist und sie ausreichend dicht gegenüber einströmender Raumluft ausgeführt ist.
Trotz mutmaßlich normgerechter Ausführung können jedoch bei unbelüfteten Schrägdächern Feuchteschäden auftreten, wie in der Bauschäden-Sammlung des Deutschen Architektenblattes dargestellt [4]. Als Erklärung für diese Feuchteschäden, die sich durch raumseitigen Wasseraustritt im Sommer sowie völlig durchfeuchtete Holzschalung auszeichnen, wird dort im Winter ein zusätzlicher Feuchtetransport durch Dampfdiffusion über das angrenzende Ziegelmauerwerk ins Dach angenommen. Da bei dem in [4] behandelten Schadensfall jedoch beträchtliche Feuchtemengen im Dach angefallen sind, wird diese Erklärung von Fachleuten als alleinige Ursache für den Feuchteschaden angezweifelt. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Dampfdiffusionsvorgänge im Anschlussbereich von Mauerwerk und Schrägdach mit Hilfe von zweidimensionalen Wärme- und Feuchtetransportberechnungen untersucht.
Durchführung der Untersuchung
Grundlage für die rechnerische Untersuchung ist der Dachaufbau in [4], dargestellt in Bild 1. Beim Ziegelmauerwerk wird von einer Innenwand ausgegangen, so dass in ihrer Mitte eine vertikale Symmetrieebene vorausgesetzt werden kann. Die gleiche Symmetriebedingung gilt bei entsprechend großem Ausschnitt (ca. 5 m) auch am rechten Bildrand, wobei der Einfluss der Sparren vernachlässigt wird. Als Außenluftbedingungen werden Monatsmittelwerte von Temperatur und relativer Feuchte eines für Holzkirchen typischen Jahres verwendet. Kurzwellige Strahlungseinflüsse und nächtliche langwellige Abstrahlung werden nicht berücksichtigt. Raumseitig werden Temperatur und Feuchte sinusförmig zwischen 22° C bzw. 50 % r.F. im Winter und 26° C bzw. 70 % r.F. im Sommer im Standardfall variiert. Die zugrunde gelegten Stoffkennwerte für die Ziegelwand, die Holzschalung und die Mineralfaserdämmung sind Tabelle 1 zu entnehmen. Die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke der Bitumenglasvliesbahn beträgt im Standardfall sd = 300 m und die der raumseitigen Dampfsperre sd = 50 m. Der Einfluss des Gipsputzes wird durch sd= 0,1 m berücksichtigt. Die Oberflächenübergangsbedingungen entsprechen den in [5] vorgeschlagenen Werten.
Tabelle 1: Zusammenstellung der hygrothermischen Stoffkennwerte für den Standardfall des untersuchten Bauteilaufbaus
Baustoff | Ziegel | Holz | Mineralfaser |
Rohdichte [kg/m³] | 800 | 400 | 60 |
Wärmeleitfähigkeit (trocken) [W/mK] | 0,2 | 0,09 | 0,04 |
Feuchtebedingte Erhöhung [%/M.-%] | 15 | 1,3 | 0,9 |
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl [-] | 5 | 20 | 1,3 |
Sorptionsfeuchte bei 80 % r.F. [Vol.-%] | 0,6 | 6 | – |
Freie Wassersättigung [Vol.-%] | 37 | 58 | – |
Die Berechnungen werden mit dem am Fraunhofer-Institut für Bauphysik entwickelten und experimentell verifizierten zweidimensionalen EDV-Programm WUFI 2D durchgeführt. Ausgehend von einem lufttrockenen Anfangszustand im Dach, d.h. alle Materialien haben zu Beginn eine Ausgleichsfeuchte entsprechend 70 % relativer Luftfeuchte, wird das Feuchteverhalten des betrachteten Dach/Wandausschnittes über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht. Die Berechnungen beginnen jeweils im Oktober und werden mit Zeitschritten von ca. 70 Stunden durchgeführt, wobei die Randbedingungen jeweils einen Monat lang konstant bleiben.
Ergebnisse
Die Feuchteverteilungen in einem 100 cm breiten und 30 cm hohen Ausschnitt des Dach/Wand-Anschlussbereiches nach dem ersten, dritten und fünften Winter (jeweils Ende März) sind für den Standardfall in Bild 2 dargestellt. Während die Dämmung und auch das Ziegelmauerwerk selbst nach fünf Jahren relativ trocken bleiben, übersteigt der Wassergehalt in der Holzschalung bereits im ersten Winter über der Ziegelmauer 100 kg/m³ (10 Vol.-%). Im fünften Winter erreicht die Feuchte der Schalungsbretter in einem Bereich bis ca. einem halben Meter neben der Ziegelwand einen Wassergehalt von etwa 200 kg/m³. Mittelt man die Feuchte der Holzschalung über die Breite von einem Meter im Bereich der Ziegelwand und stellt diesen Mittelwert über den Berechnungszeitraum von 5 Jahren dar, erhält man die Verläufe in Bild 3.
Zur besseren Beurteilung des Schadensrisikos durch Holzfäule ist die Feuchte dort in Masse-% dargestellt. Die Verläufe für den Standardfall sind in beiden Bildteilen mit durchgezogenen Linien gekennzeichnet. Die stetige Feuchteakkumulation führt bereits nach einem Jahr zu einem örtlich kritischen Wassergehalt in den Schalungsbrettern. Eine insgesamt geringere Raumluftfeuchte (in Bild 3 oben gestrichelt eingezeichnet) bzw. ein höherer Diffusionswiderstand des Ziegelmauerwerks (in Bild 3 unten gestrichelt eingezeichnet) führen zwar zu einem geringeren Anstieg der Holzfeuchte, das Feuchteschadensrisiko wird dadurch aber nur unwesentlich entschärft. Ebenfalls vom durchgezogen eingezeichneten Standardfall ausgehend sind die Verläufe der Holzfeuchte für verschieden dampfdichte Bitumenbahnen auf der Schalung in Bild 4 dargestellt. Während eine Reduktion des sd-Wertes der Bitumenbahn von 300 m auf 30 m so gut wie keinen Einfluss hat und eine weitere Reduktion auf sd = 3m etwa soviel Verbesserung bringt wie eine Reduktion der mittleren Raumluftfeuchte um 10 % r.F., bewirkt eine Unterspannbahn mit einem sd-Wert von 0,3m (Maximalwert nach [2]), dass keine langfristige Feuchteakkumulation und keine kritischen Feuchtesituationen in der Holzschalung auftreten.
Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerung
Die Randbedingungen und Stoffkennwerte für den Standardfall wurden so gewählt, dass diffusionstechnisch von ungünstigen Verhältnissen für die Konstruktion gesprochen werden kann. Berücksichtigt man die Sonnenstrahlung auf das Dach, wird die Feuchteaufnahme der Schalungsbretter in den Übergangszeiten sicherlich deutlich reduziert, und im Sommer ist sogar eine kurzfristige Austrocknung der Schalungsbretter möglich. Da das Dach jedoch insgesamt relativ dicht ist, kann diese Feuchte dann durch Fehlstellen auf der Innenseite austreten und, wie in [4] beschrieben, abtropfen. Die Frage, ob in diesem Fall die durch die Wand eindiffundierende Feuchte allein für das Schadensbild verantwortlich ist, kann mit dem hier gezeigten extremen Beispiel nicht beantwortet werden. Sicher ist jedoch, dass dampfdichte Dachkonstruktionen, wie bereits in [6] gezeigt, als problematisch anzusehen sind. Aus diesem Grund ist von dampfdichten Dachpappen auf der Holzschalung bei unbelüfteten Schrägdächern dringend abzuraten. Werden die Richtlinien in [2] eingehalten, die diffussionsoffene Bahnen mit sd-Wert < 0,3 m auf der Holzschalung empfehlen, dann stellt auch die Dampfdiffusion über die Wände kein Feuchteschadensrisiko dar.
Literatur
[1]
H. Künzel, Th. Großkinsky:
Nicht belüftet, voll gedämmt: die beste Lösung für das Satteldach!
wksb 34 (1989), H. 27, S. 1-7
Merkblatt für Wärmedämmung zwischen den Sparren.
DDH 112 (1991), H. 24, S. 17-20 [3] DIN 4108, Teil 3:
Wärmeschutz im Hochbau; klimabedingter Feuchteschutz.
August 1981 [4] C. Ruhe:
Nichtbelüftetes geneigtes Dach mit Sparrenvolldämmung. Wasserabtropfungen von der Decke im Sommer.
Deutsches Architektenblatt 27 (1995), H. 8, S. 1479-1481 [5] H. M. Künzel:
Verfahren zur ein- und zweidimensionalen Berechnung des gekoppelten Wärme- und Feuchtetransports in Bauteilen mit einfachen Kennwerten.
Dissertation Universität Stuttgart 1994. [6] H. M. Künzel:
Vorsicht bei nachträglicher Steildachdämmung.
IBP-Mitteilung 22 (1995), Nr. 269